Mit Toleranz gegen den Fachkräftemangel

Altenpflege-Auszubildender trifft in Hamburg die Dragqueen Olivia Jones

NEUSTADT / HAMBURG. Überall in der Pflege fehlt es an Fachkräften – auch in der Pfalz, und auch bei der AWO Pfalz. Um dem entgegenzuwirken und neuen Nachwuchs für die eigene Altenpflege-Ausbildung zu gewinnen, startet die AWO Pfalz aktuell eine Werbe-Kampagne. Die derzeitigen Auszubildenden der AWO haben tatkräftig mitgewirkt. Prominente Unterstützung gab es aus Hamburg von der Dragqueen Olivia Jones.

„Junge Menschen zu finden, die zu uns passen und die mit Herz und Verstand pflegerisch arbeiten wollen, wird immer schwieriger“, berichtet Markus Broeckmann, der Geschäftsführer der AWO Pfalz. Also was tun? Zusammen mit seiner Stellvertreterin Susanne Becker entschied Broeckmann, diejenigen zu befragen, die den Nachwuchs am besten kennen – nämlich die derzeitigen Auszubildenden der AWO. Und so setzten sich die Geschäftsführung, die Azubis und deren Betreuer zusammen und überlegten gemeinsam, was die AWO ausmacht und wodurch sie als Arbeitgeber für junge Menschen attraktiv wird.

Was wirklich zählt
Das Ergebnis war: Die AWO steht für ganz bestimmte Werte und diese Werte bedeuten auch jungen Menschen etwas. Besonders Toleranz und soziale Gerechtigkeit waren dem Nachwuchs wichtig, beides ist fest im Leitbild der AWO verankert. Aus der Werte-Debatte entstand die Grundidee für eine Kampagne: „Du bist tolerant? Wir auch!“ Damit will die AWO bald öffentlich um Pflege-Nachwuchs werben. „Bei der AWO kommt es nicht darauf an, woher man kommt oder was man privat macht“, sagt Susanne Becker, die stellvertretende Geschäftsführerin. „Bei uns zählen die fachliche Kompetenz und das Gespür für die Arbeit mit Menschen.“ Um die Kampagne umsetzen zu können, um Motive unter anderem für Plakate und Anzeigen zu finden, wurden im nächsten Schritt geeignete Gesichter gesucht: Alle Auszubildenden der AWO waren eingeladen, sich mit ihrer eigenen, persönlichen Geschichte dafür zu bewerben.

Fünf Azubis für die Kampagne ausgewählt
Inzwischen stehen die fünf Gesichter für die Kampagne fest. Kai Handermann aus Speyer ist dabei. Er findet es wichtig, dass ihm niemand Vorurteile entgegenbringt, nur weil er Tattoos hat. Auch Carina Brückner aus Pirmasens, die gerne den Stil der 1950er-Jahre trägt, möchte in keine Schublade gesteckt werden. Denise Leger aus Zweibrücken ist sehr zierlich, ihr wird der Beruf als Altenpflegerin oft nicht zugetraut. Für sie war es überraschend, wie viel sie bereits in der Ausbildung als Altenpflegerin verdient. Maria Chamorro, ebenfalls aus Zweibrücken, ist alleinerziehende Mutter und bereits 40 Jahre alt: „Ich wollte nochmal durchstarten und etwas Sinnvolles machen. Die AWO Pfalz gibt mir die Möglichkeit, Beruf und Familie perfekt zu vereinbaren.“

Dennis Annawald, 24 Jahre, ist Azubi zum Altenpfleger im Seniorenhaus „Alex Müller“ in Kaiserslautern. „Dass ich homosexuell bin, interessiert bei der AWO niemanden. Genauso wenig wie die Tatsache, dass ich mich in meiner Freizeit mit Travestie beschäftige. Warum auch, schließlich mache ich meinen Job deshalb ja nicht schlechter.“ Seine Praxisanleiterin Tanja Teker hatte die spontan Idee, den Pressesprecher von Olivia Jones anzurufen. Olivia Jones ist Deutschlands derzeit berühmtester Travestiekünstler und hat in Frauenkleidern einige Fernseh-Berühmtheit erreicht. Seit vielen Jahren macht sich Olivia Jones selbst für Toleranz und Offenheit stark. Die Kampagne aus der Pfalz stieß in Hamburg sofort auf Interesse, und es wurden Pläne für ein Treffen geschmiedet.

Prominente Unterstützung aus Hamburg
Am 9. Juni fand dieses Treffen nun tatsächlich statt. Dafür reiste Dennis Annawald nach Hamburg, gemeinsam mit Praxisanleiterin Tanja Teker, Susanne Becker und dem Fotografen der Toleranz-Kampagne, Steffen Forster. Das Ziel war „Olivias Show Club“, ein von Olivia Jones betriebener Club auf der Großen Freiheit. Der Zeitplan war straff: Annawald wurde dort zur Frau gestylt, direkt in der Garderobe der bekannten Travestiekünstlerin. Es folgten ein Fotoshooting im Club und anschließend eine geführte Kiez-Tour über die Reeperbahn.
Abends im Club traf die Delegation aus der Pfalz schließlich auf Olivia Jones, zu einem Gespräch übers Thema Toleranz. Schnell waren sich alle einig, dass man sich noch deutlich mehr Toleranz in der Gesellschaft wünscht. „Es hat sich schon vieles zum Positiven verändert, und wir sind auf einem guten Weg“, sagt Dennis Annawald. „Aber es gibt auch nach wie vor viele Menschen, die sich daran stören, wenn man sein Leben nach seinen eigenen Wünschen gestaltet. Menschen, die einem das auch deutlich zeigen.“ Umso mehr freute ihn die prominente Unterstützung aus Hamburg. Auch in seinem Alltag gebe es zum Glück viele, die gemeinsam mit ihm dafür kämpfen, dass jeder so leben kann, wie er möchte: „Ich bin glücklich, dass ich mit der AWO einen Ausbildungsbetrieb gefunden habe, der mich unterstützt.“

Mehr Fotos unter https://www.facebook.com/awopfalz/

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